open systems 2005 // 
pioneers of networking

18. November 2005
domicil

Hansastr. 7-11, Dortmund

ENSEMBLE BRACELLI
YASUNAO TONE
LIONEL MARCHETTI & YOKO HIGASHI
THE HUB
SWOD
PHILL NIBLOCK

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/// 19:30 h

ENSEMBLE BRACELLI
Matthias Feger : Viola
Marko Genero : Viola
Wolfgang Sellner : Violoncello
Philip Willerding-Bach : Violoncello
Horst Wischnowski : Kontrabass

Stefan Lakatos : Trimba

Toot Suites
Organ Books
The Music of Moondog

Uraufführungen

„Mir kommt es so vor, als ob ich mit einem Fuß in Amerika und mit dem anderen in Europa stehe…“ Der amerikanische Komponist Louis Thomas Hardin (1916-1966) alias Moondog bewegte sich – blind seit seinem 16. Lebensjahr – in der Komposition zweier Welten, als „Europäer im Exil“. Rhythmisch in der amerikanisch-indianischen Vergangenheit und harmonisch in der europäischen klassischen Musik verwurzelt, verarbeitete er die musikalischen Gegensätze zu einer neuen, aufregenden Einheit. In den 70er Jahren tauschte Moondog die Wikinger-Kleidung seiner New Yorker Straßenzeit gegen Wollmütze und Mantel im Ruhrgebiet, das für ihn zu einer neuen Heimat wurde. Kurz vor seinem überraschenden Tod führte die Begegnung mit Wolfgang Sellner, Solo-Cellist bei den Bochumer Symphonikern, zu der Idee, Bracelli, ein Streichensemble, ins Leben zu rufen.

Bracelli ist eine von Moondog favorisierte Ensemble-Zusammensetzung für zwei Bratschen, zwei Celli, Kontrabass und Schlagzeug. Für diese Besetzung hat Moondog sein Leben lang kompositorisch gearbeitet. Der Kontakt zu dem schwedischen Schlagzeuger und Moondog-Schüler Stefan Lakatos (Trimba-Percussion) führte schließlich 2002 zur Gründung des Ensembles Bracelli, dem weltweit einzigen Streichensemble, das sich auf die Musik Moondogs spezialisiert hat.

Im Rahmen von „open systems 2005“ wird es zum ersten Mal seit Moondogs Tod wieder echte Uraufführungen seiner Kompositionen geben. Aus dem umfangreichen Nachlass hat das Ensemble Bracelli zahlreiche Schätze zu Tage gefördert und präsentiert an diesem Abend fast ausschließlich Welt-Premieren sowie Erstaufführungen für die Ensemble-Besetzung, so z.B. Nummern aus den sogenannten „Toot Suites“ und den späten „Organ Books“ sowie drei Stefan Lakatos gewidmete Stücke aus den Achtzigern, die nun fast 20 Jahre später ihre Uraufführung erleben.

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/// 20:45 h

YASUNAO TONE
Cut and Splice
Mediale Experimente mit digitalen Tonträgern

Yasunao Tone, 1960 Mitbegründer der Gruppe Ongaku, widmet sich der Schaffung von „Event“- und improvisierter Musik und begann 1962, in der Fluxusbewegung mitzuwirken. In den nächsten Jahren entwickelte er sich zum Organisator ebenso wie zum Mitwirkenden zahlreicher Avantgarde-Gruppen. Zu seinen Aktivitäten gehörten Happenings, Klanginstallationen, experimentelle Musik, Performances sowie Kunst und Technologie.

Seit seiner Übersiedlung in die USA 1972 komponiert Tone Partituren, die Text und visuelle Bilder umfassen, ebenso wie Klänge für die Merce Cunningham Dance Company und für Solokonzerte (u.a. The Kitchen, Experimental Intermedia Foundation, Guggenheim Museum Soho).

Tones wegweisende Verwendung von manipulierten CDs ­ eine Technik, an der er seit Anfang der 80er Jahre arbeitet ­ beschreibt er selbst als den Prozess des „Verwundens“ von Compact Disks: „Ich habe mich gefragt, ob man wohl das Fehlerkorrektursystem überwinden könnte. Falls ja, könnte ich auch aus einer bestehenden CD völlig neue Musik herausholen. Ich rief meinen audiophilen Freund an, der einen Schweizer CD-Player hatte, und fragte ihn. Es war einfacher als ich vermutet hatte. Ich kaufte eine CD von Debussys „Preludes“ und brachte sie zu ihm. Dem Vorschlag eines Ingenieurfreundes von ihm folgend bohrten wir einfach jede Menge Nadellöcher in ein Stück Tesafilm und klebten dieses unten auf die CD. Ich machte zahlreiche Versuche. Über das Ergebnis freute ich mich sehr, weil der CD-Player ausser Kontrolle geriet. Das war das perfekte Gerät zur Performance.“

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/// 21:45 h

LIONEL MARCHETTI & YOKO HIGASHI
viande avariée attre les mouches
(Verdorbendes Fleisch zieht die Fliegen an)
in Kooperation mit grenzgänger//transmediale tanzimprovisationen

Yoko Higashi begann ihre Laufbahn als Tänzerin und Choreografin inTokio, bevor sie in Frankreich eine Reihe experimenteller Projekte mit Musikern entwickelte. Lionel Marchetti bewegt sich als in der Musique concrète stehender Komponist zwischen den Welten vo komplexen musikalischen Struukturen und elektroakustischer Live-Improvisation. Die Musique concrète hat mit ihm einen Vertreter hervorgebracht, der es versteht, die unterschiedlichen Ebenen parallel in seine aktuellen elektronischen Kompositionen einzuarbeiten.

Auf Improvisation basiert auch das Performance-Konzert des Duos. Es existiert zwar eine grobe Struktur im Ablauf, doch letztendlicher Impulsgeber für die Darbietung ist die betreffende Location. An diesem Abend wird somit das neu eröffnete Domicil zum Dritten im Bunde. Der vom Butoh inspirierte Tanz und die mittels Mikrophonen, Lautsprecheranlage und elektronischen Objekten live generierte Musik treten in einen Dialog miteinander und mit dem jeweiligen Ort. Geräusche und Bewegungen bilden gleichsam einen „Raumkörper“, dessen Ausdrucksformen zwischen dem Konkreten und Abstrakten hin- und herschwingen und Eindrücke verstörender Intensität hinterlassen.

Es gilt, Klänge zu betrachten und Bewegungen zu lauschen, wenn Higashi / Marchetti die optische und die akustische Ebene zu einem sinnlich erfahrbaren Gewebe ­ einem offenen System der Interaktion ­ verknüpfen.

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/// 23:00 h

THE HUB
Netzkonzert, Mitschnitt WDR3 open
55 minutes of the Hub

Der Beat im Netz, der Flow auf Felsplatten, das erste LAN-Sound-Event der US-Netzwerker

Grundsätzlich ist ein „Hub“ der Mittelpunkt eines sternförmigen Rechnernetzwerkes, der nichts anderes leistet, als Daten auf einem Port zu empfangen, um sie an alle anderen Ports weiterzugeben. So simpel war das zumindest einmal, damals, als die San Francisco Bay Area allmählich zum Silicon Valley wurde.

Die bastelnden Komponisten, welche sich später unter dem Namen The Hub vereinigen sollten, unternahmen in dieser Zeit als erste den Versuch, Computer als große, interaktive Musikinstrumente in Netzwerken zu verbinden. Geburtsstunde war das legendäre Konzert, das 1987 an zwei kilometerweit voneinander entfernten Spielorten in New York stattfand. Initiiert wurde es seinerzeit durch zwei Veranstalter, von denen der eine übrigens Phill Niblock war. So sehr sich Netzwerkarchitekturen im Laufe der Jahre wandelten, The Hub blieben doch immer freie Komponisten, die sowohl durch Programmierung als auch durch interaktive Steuerung das Heft in der Hand behielten.

Nach einer längeren Pause, die verhindern sollte, dass „die Musik nicht der Technik zum Opfer fällt“, darf man gespannt sein auf John Bischoff, Chris Brown, Scot Gresham-Lancaster, Tim Perkis und Phil Stone – Musiker, die zu Softwareentwicklern und Instrumentenbauern wurden, um ihre eigenwilligen, musikalischen Ideen verwirklichen zu können.

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/// 00:00 h

quiet riot at night
SWOD
— DJ KRILL.MINIMA
— DJ SEGMENT
Elektrolounge, präsentiert von Sternschaltung und Klangkabel

Der Soundtrack zur Nacht werden Swod aus Berlin erschaffen. Die beiden Musiker Stephan Wöhrmann und Oliver Doerell (Elektronik, Gitarre, Bass) zaubern ab Mitternacht intime Klangminiaturen auf die Bühne. Das Klavier lässt einen an Erik Satie und Ryuchi Sakamoto denken, die Freistellen werden durch Rhythmusfragmente und Elektronikgeknisper ausgefüllt. Da passt es auch, dass die beiden schon seit längerem Live-Vertonungen von Stummfilmen machen. Soundtracks für die Bilder im Kopf, spannend und einnehmend.

In der Lounge laden den Abend und die Nacht über die Dortmunder DJs krill.minima und Segment zu elektronischen Klangreisen jenseits des Mainstreams ein: Popambient, Digital-Folk und Elektroakustik, zum entspannenden und zugleich anregenden Lauschen.

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/// domicil foyer

PHILL NIBLOCK
Videoinstallation
„anecdotes from childhood“

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Veranstaltet von mex – intermediale und experimentelle Musikprojekte e.V. Mit freundlicher Unterstützung durch das Künstlerhaus Dortmund sowie Pro Jazz e.V. und dem Kulturbüro der Stadt Dortmund.

im Rahmen von
open systems 2005
17.-20. November 2005
Konzerte & Installationen in Bochum, Dortmund, Essen, Herne